Mittwoch, 16.09.2015. "Καλημερα Ελλαδα!", kalimera heißt "Guten Morgen", Ellada ist das griechische Wort für "Griechenland". Heute wird ein guter Tag denn ich habe sehr gut geschlafen. Ich mache mich etwas frisch und öffne die Gartentüre. Direkt davor wartet bereits mein neuer Freund: Herr Kakerlake. Zugegeben, ich kann nicht wirklich feststellen, ob es sich um ein weibliches oder männliches Exemplar handelt. Natürlich könnte ich Wikipedia befragen ... aber ich kann auch sinnvollere Dinge tun. Der letzte Lebenshauch von Herr Kakerlake wird durch Claire, ich glaube so heißt Julius' Mum, mit dem Anti-Kakerlaken-Spray ausgelöscht. Seine letzte Zuckung tut er dann in einer dunklen Plastiktüte. Die Freundschaft war kurz. Ruhe in Frieden!
Heute mache ich mich wieder auf den Weg zum Campus. Ich treffe mich mit Professor Nikos. Er erzählt mir alles über die Vorlesungen, die ich besuchen möchte. Besonders bewirbt er natürlich seine eigene, obwohl die wohl sehr grundlegend und eigentlich für Studenten im ersten Semester gedacht ist. Alle Vorlesungen sind übrigens auf griechisch! Was? Wie soll ich das hinbekommen? Nikos schickt mich zu den verantwortlichen Professoren der verschiedenen Vorlesungen und stellt mich direkt Prof. Venieri (Ökologie) und Prof. Kolokotsa (Meteorologie) vor. Beide geben mir anschließend super Angebote: Sie werden sich mit mir hin und wieder treffen und persönlich Vorlesungsinhalte - quasi nur für mich - auf Englisch wiedergeben. Außerdem bekomme ich seperat Hausaufgaben und eine eigene Prüfung. Ich staune nicht schlecht. So etwas wäre in Deutschland ein nicht aufbringbarer bürokratischer und zeitlicher Aufwand, der viel zu wenig Nutzen bringt.
Erfreut über diese Informationen stolziere ich nochmals zu Elena, bei der ich schon am Vortag war, und lasse mir versichern, dass ich auch ohne Studentenausweis schon meine kostenlosen Mahlzeiten in der Mensa bekomme. Also nichts wie hin da! Und tatsächlich: der Mann an der Kasse schaut in seiner geheimen Liste nach und findet dort meinen Namen. Eine Minute später habe ich Reis und Fisch auf meinem Teller.
Mit dem Bus gehts dann zum ersten Mal ins Stadtzentrum. Hier bummle ich einfach ein bisschen durch die Gegend und gönne mir ein paar Bustickets am Automaten. Im Bus sind die Tickets nämlich locker mal 50 Cent teurer als am Automaten ... oder je nach Willkür des Busfahrers. Mit einem Vorrat an Automatentickets bin ich auf jeden Fall auf der sicheren Seite. Sobald ich meinen Studentenausweis habe müsste ich eigentlich sogar kostenlos mit den Bussen fahren können.
Meine letzte Tat des Tages ist es den anderen ERASMUS-Studenten eine Email zu schreiben. Ich frage nach, wer denn bereits in Chania ist und Lust hat sich mit mir zu treffen. Nur unmittelbar danach trifft auch schon die erste Antwort ein. Patrycja und Dominika, Zwilingsschwestern aus Polen, schreiben mir, dass sie Samstag ankommen und gern am Strand ein Bier trinken würden. Dazu sage ich natürlich nicht nein.
Donnerstag, 17.09.2015. Der Donnerstag beginnt eigentlich genau wie der Tag zuvor. Ich habe nämlich wieder ein paar Termine in der Uni und klappere diese nach und nach ab. Während ich pünktlich zur Mittagszeit in der Mensa sitze bekomme ich eine Email aufs Handy. Sercan, ERASMUS-Student aus der Türkei, schreibt mir, dass er bereits in Chania ist und völlig verzweifelt. Er meint ich soll zum Lighthouse (Leuchtturm) kommen. Ich esse auf und mache mich sofort auf den Weg. Der Bus setzt mich im Zentrum ab, wo ich auch gestern schon ausgestiegen bin. Den Weg zum Leuchtturm kenne ich auch schon. Nach kurzer Suche finde ich Sercan, der mir zuvor ein Bild von sich geschickt hatte. Er empfängt mich mit einer Umarmung und ich bin etwas perplex. Er meint, dass er Angst hat und völlig verloren ist in Chania. Er hat heimweh und telefoniert oft mit seiner Mutter. Er ist seit zwei Tagen da und möchte eigentlich das ERASMUS-Projekt schon abbrechen. Ich versuche ihn etwas zu beruhigen und laufe mit ihm an der Hafenpromenade entlang. Wir setzen uns in ein kleines griechisches Restaurant und essen Feta und Okra. Plötzlich fühle ich mich als wäre ich schon immer hier in Chania. Ich erzähle ihm wie toll es hier ist, wie freundlich die Unimitarbeiter sind und das alles gut wird. Außerdem lade ich ihn zu meinem Treffen mit Alexandra ein, welches morgen stattfinden soll. Er ist noch nicht ganz überzeugt, ist mir aber am Ende dennoch unendlich dankbar. Ich führe ihn zu einem Supermarkt, weil ich mir nicht sicher bin ob er allein in der Lage ist Nahrung zu beschaffen, und zeige ihm seine Bushaltestelle und den Fahrkartenautomat.
Nachdem Sercan fort ist, suche ich den Weg nach Hause. Ich möchte keines meiner wertvollen Bustickets dafür verschwenden (erinnert mich ein bisschen an das Brettspiel "Scotland Yard"). Gestern hatte ich mich dabei ziemlich verlaufen aber mit Hilfe des Handys mein Haus doch noch gefunden. Heute will ich das klüger anstellen und gehe die ganze Zeit am Wasser entlang. Dabei stoße ich doch tatsächlich auf einen kleinen Strand, der letztendlich auch nur ungefähr einen Kilometer von meiner Bude entfernt ist. Ein paar vereinzelte Kenner sind hier bereits am plantschen und so schließe ich mich ihnen an und genieße das angenehme Mittelmeerwasser. Vom Wasser aus finde ich schließlich auch mein Haus ohne Probleme.
Fazit der letzten zwei Tage: Mein Treffen mit Herrn Kakerlake hat sich sehr fremd angefühlt. Mein Treffen mit Sercan hat mich hier heimisch fühlen lassen und dieses Gefühl hält weiter an. Was es nicht so alles mit sich bringt, Fremden zu helfen sich in ihrer Übergangsheimat zurechtzufinden. Wow ... diese Parallelen ;)