Erste Freunde

17.09.2015 20:58

 

Mittwoch, 16.09.2015. "Καλημερα Ελλαδα!", kalimera heißt "Guten Morgen", Ellada ist das griechische Wort für "Griechenland". Heute wird ein guter Tag denn ich habe sehr gut geschlafen. Ich mache mich etwas frisch und öffne die Gartentüre. Direkt davor wartet bereits mein neuer Freund: Herr Kakerlake. Zugegeben, ich kann nicht wirklich feststellen, ob es sich um ein weibliches oder männliches Exemplar handelt. Natürlich könnte ich Wikipedia befragen ... aber ich kann auch sinnvollere Dinge tun. Der letzte Lebenshauch von Herr Kakerlake wird durch Claire, ich glaube so heißt Julius' Mum, mit dem Anti-Kakerlaken-Spray ausgelöscht. Seine letzte Zuckung tut er dann in einer dunklen Plastiktüte. Die Freundschaft war kurz. Ruhe in Frieden!

Heute mache ich mich wieder auf den Weg zum Campus. Ich treffe mich mit Professor Nikos. Er erzählt mir alles über die Vorlesungen, die ich besuchen möchte. Besonders bewirbt er natürlich seine eigene, obwohl die wohl sehr grundlegend und eigentlich für Studenten im ersten Semester gedacht ist. Alle Vorlesungen sind übrigens auf griechisch! Was? Wie soll ich das hinbekommen? Nikos schickt mich zu den verantwortlichen Professoren der verschiedenen Vorlesungen und stellt mich direkt Prof. Venieri (Ökologie) und Prof. Kolokotsa (Meteorologie) vor. Beide geben mir anschließend super Angebote: Sie werden sich mit mir hin und wieder treffen und persönlich Vorlesungsinhalte - quasi nur für mich - auf Englisch wiedergeben. Außerdem bekomme ich seperat Hausaufgaben und eine eigene Prüfung. Ich staune nicht schlecht. So etwas wäre in Deutschland ein nicht aufbringbarer bürokratischer und zeitlicher Aufwand, der viel zu wenig Nutzen bringt.

Erfreut über diese Informationen stolziere ich nochmals zu Elena, bei der ich schon am Vortag war, und lasse mir versichern, dass ich auch ohne Studentenausweis schon meine kostenlosen Mahlzeiten in der Mensa bekomme. Also nichts wie hin da! Und tatsächlich: der Mann an der Kasse schaut in seiner geheimen Liste nach und findet dort meinen Namen. Eine Minute später habe ich Reis und Fisch auf meinem Teller.

Mit dem Bus gehts dann zum ersten Mal ins Stadtzentrum. Hier bummle ich einfach ein bisschen durch die Gegend und gönne mir ein paar Bustickets am Automaten. Im Bus sind die Tickets nämlich locker mal 50 Cent teurer als am Automaten ... oder je nach Willkür des Busfahrers. Mit einem Vorrat an Automatentickets bin ich auf jeden Fall auf der sicheren Seite. Sobald ich meinen Studentenausweis habe müsste ich eigentlich sogar kostenlos mit den Bussen fahren können. 

Meine letzte Tat des Tages ist es den anderen ERASMUS-Studenten eine Email zu schreiben. Ich frage nach, wer denn bereits in Chania ist und Lust hat sich mit mir zu treffen. Nur unmittelbar danach trifft auch schon die erste Antwort ein. Patrycja und Dominika, Zwilingsschwestern aus Polen, schreiben mir, dass sie Samstag ankommen und gern am Strand ein Bier trinken würden. Dazu sage ich natürlich nicht nein. 

Donnerstag, 17.09.2015. Der Donnerstag beginnt eigentlich genau wie der Tag zuvor. Ich habe nämlich wieder ein paar Termine in der Uni und klappere diese nach und nach ab. Während ich pünktlich zur Mittagszeit in der Mensa sitze bekomme ich eine Email aufs Handy. Sercan, ERASMUS-Student aus der Türkei, schreibt mir, dass er bereits in Chania ist und völlig verzweifelt. Er meint ich soll zum Lighthouse (Leuchtturm) kommen. Ich esse auf und mache mich sofort auf den Weg. Der Bus setzt mich im Zentrum ab, wo ich auch gestern schon ausgestiegen bin. Den Weg zum Leuchtturm kenne ich auch schon. Nach kurzer Suche finde ich Sercan, der mir zuvor ein Bild von sich geschickt hatte. Er empfängt mich mit einer Umarmung und ich bin etwas perplex. Er meint, dass er Angst hat und völlig verloren ist in Chania. Er hat heimweh und telefoniert oft mit seiner Mutter. Er ist seit zwei Tagen da und möchte eigentlich das ERASMUS-Projekt schon abbrechen. Ich versuche ihn etwas zu beruhigen und laufe mit ihm an der Hafenpromenade entlang. Wir setzen uns in ein kleines griechisches Restaurant und essen Feta und Okra. Plötzlich fühle ich mich als wäre ich schon immer hier in Chania. Ich erzähle ihm wie toll es hier ist, wie freundlich die Unimitarbeiter sind und das alles gut wird. Außerdem lade ich ihn zu meinem Treffen mit Alexandra ein, welches morgen stattfinden soll. Er ist noch nicht ganz überzeugt, ist mir aber am Ende dennoch unendlich dankbar. Ich führe ihn zu einem Supermarkt, weil ich mir nicht sicher bin ob er allein in der Lage ist Nahrung zu beschaffen, und zeige ihm seine Bushaltestelle und den Fahrkartenautomat. 

Nachdem Sercan fort ist, suche ich den Weg nach Hause. Ich möchte keines meiner wertvollen Bustickets dafür verschwenden (erinnert mich ein bisschen an das Brettspiel "Scotland Yard"). Gestern hatte ich mich dabei ziemlich verlaufen aber mit Hilfe des Handys mein Haus doch noch gefunden. Heute will ich das klüger anstellen und gehe die ganze Zeit am Wasser entlang. Dabei stoße ich doch tatsächlich auf einen kleinen Strand, der letztendlich auch nur ungefähr einen Kilometer von meiner Bude entfernt ist. Ein paar vereinzelte Kenner sind hier bereits am plantschen und so schließe ich mich ihnen an und genieße das angenehme Mittelmeerwasser. Vom Wasser aus finde ich schließlich auch mein Haus ohne Probleme.

Fazit der letzten zwei Tage: Mein Treffen mit Herrn Kakerlake hat sich sehr fremd angefühlt. Mein Treffen mit Sercan hat mich hier heimisch fühlen lassen und dieses Gefühl hält weiter an. Was es nicht so alles mit sich bringt, Fremden zu helfen sich in ihrer Übergangsheimat zurechtzufinden. Wow ... diese Parallelen ;)



20.09.2015 11:19 von otsche
robert , einfach super , aber nun wird es zeit für den nächsten bericht , lass uns nicht solange warten !! gruß otsche
19.09.2015 17:00 von Robert
Danke, Marianne. Ich werde mal schauen, ob ich die griechische Schrift hier auch noch möglich machen kann!
19.09.2015 16:58 von marianne
die ????? waren eigentlich griechische schrift - schade geht hier nicht :-(
19.09.2015 16:56 von marianne
zu Bild 13 : an der Wand steht: Feuer in die Wahlurnen damit wir den Auftrag beenden. Der hängende Oktopus ( chtapodi ??????? ) ist vielleicht gewöhnungsbedürftig anzuschauen - allerdings zubereitet (gegrillt oder als "Gulasch" genannt stifado) ein absolutes Gedicht. nur Mut! wünsche ein tolles Jahr !!!
19.09.2015 13:56 von Lena
Hallo Robert, Konntest du denn schon vor deiner Reise nach Chania griechisch? Viele tolle Erlebnisse und Erfahrungen wünsche ich dir an dieser wunderbaren Ecke der Erde.
19.09.2015 12:26 von Giorg
Toller blog rubert! Lese ich sehr gerne, und man kann sich gut hineinversetzen.
18.09.2015 13:30 von Fiona
Dein Schreibstil gefällt mir, da werde ich bestimmt alle Blogeinträge lesen. Ich bin mir sicher, dass du hinterher super Griechisch kannst, wenn die Vorlesungen alle auf griechisch sind. Frag doch am besten die griechischen Studenten, was die Sprüche an den Wänden bedeuten. Und manche Kakerlakenarten sind doppelt so groß, aber so wie deine Kakerlake sind die meisten. Übrigens können Kakerlaken nicht bremsen, wenn sie gegen ein Hindernis rennen, aber dafür haben sie den "unkaputtbaren" Panzer [Sprado (2012). Verfressen, sauschnell, unkaputtbar.: Das phantastische Leben der Kakerlaken]. ;-)
18.09.2015 08:30 von O&O
Sehr interessant und spannend zu lesen. Wir sind auf weitere Berichte neugierig. Viele Grüsse an Sercan und alle anderen neuen Freunde!
18.09.2015 01:23 von Caro
Schön, dass alles bei dir so organisiert abläuft. Wir sind ja anfangs noch in Chaos untergegangen :D Und pass schön auf Sercan auf. Ich weiß wie er sich fühlt- ich möchte mich auch nicht ohne Lisa hier in der Gegend bewegen, weil mich ja wer ansprechen könnte :P
17.09.2015 22:51 von Lisa
Wir machen dann daheim eine Ungeziefersammlung auf ;) Aber schön, dass es dir gefällt. Auf deinen Privatstrand und die nette Sekretärin bin ich schon etwas neidisch...